Zu Gast bei der Literary Translation Summer School an der Universität Bristol
Mit guten Übersetzer*innen geht es mir wie mit guten Lyriker*innen: Ich bewundere und liebe sie für ihre Geduld, ihre Sorgfalt, ihre Fantasie und für ihre Hartnäckigkeit beim hingebungsvollen Umgang mit Sprache. Auch der Ich-Erzähler in meiner Geschichte „Klauber und die Füchsin“ lässt sich wohl zu diesem Menschentypus zählen.
So war es eine wunderbare Überraschung, als mich vor ein paar Wochen die Übersetzerin Ruth Martin kontaktierte. Sie fragte mich, ob ich bereit wäre, im Rahmen der Literary Translation Summer School der Universität Bristol den Teilnehmer*innen ihres Übersetzungsseminars Fragen zu genau diesem Text zu beantworten. Sie habe „Klauber und die Füchsin“ ausgewählt, sagte sie mir später, weil er „jedes klassische Übersetzungsproblem enthielte, das man sich nur vorstellen könne.“ Ruth hatte die Story selbst vor zwei Jahren ins Englische übersetzt.
Ruth ist eine bemerkenswerte Übersetzerin. Es ist eine schwer zu beschreibende Empfindung, den Klang der eigenen Autorenstimme so perfekt in einer anderen Sprache wiederzufinden, nachdem sie dorthin übertragen wurde – in eine andere Sprache, die man selbst gerade gut genug spricht, um sich der eigenen Unzulänglichkeit beim Umgang mit ihr bewusst zu sein. Die Magie einer guten Übersetzung ist mir deshalb manchmal fast ein wenig unheimlich.
Tatsächlich wurde das Online-Treffen mit ihr und den Teilnehmer*innen des Übersetzungsseminars für mich zum absoluten Vergnügen: Wann hat man je die Gelegenheit, gleich zwölf Menschen zu begegnen, die sich über Tage so intensiv mit etwas beschäftigen, das man selbst geschrieben hat? Und wann darf eine Autorin schon mal ganz entspannt und ausführlich über die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe des Textes plaudern, ohne andere zu langweilen?
Ruth erzählte, die Runde habe gleich am ersten Morgen zwei Stunden investiert, um die ersten zehn Zeilen zu übersetzen. Dabei gab es offenbar gleich eine längere Diskussion um die allererste Zeile: „Meine Zehen zappeln in den Pantoffeln. Sie führen ein geheimes Leben unter grauen Filzkappen.“
„It was a very long discussion about whether his toes were wriggling, wiggling or fidgeting”, schrieb sie mir später.
Liebe Ruth, liebe Teilnehmer*innen von Bristol Translates: It’s been a pleasure!
Die Website von Ruth Martin finden Sie HIER: http://www.german-to-english-translation.org/
Die Website von Bristol Translates finden Sie HIER: https://www.bristol.ac.uk/sml/translation-studies/bristol-translates/
