Meine Story „Der Hund“ erscheint im Herbst im Literaturmagazin außer.dem
„die münchner literaturzeitschrift außer.dem ist an zeitgenössischen modernen texten interessiert, die über die üblichen klassischen muster hinausreichen und an markanten stellen das gängige schema von lyrik und prosa verlassen. außer.dem veröffentlicht auch texte, die sich außerhalb des eingeführten literaturbetriebes sehen; texte, die der üblichen lyrik und prosa überraschende und innovative textalternativen gegenüberstellen.“
Der Hund (Auszug)
Hatte eingekauft, heut früh, wollt danach zum Strand, konnte dann nicht. War´s gewohnt, dem Hund zuzusehen. Steine, überall kollernde Steine, die haben dem Hund Spaß gemacht, er hetzte los, suchte einen aus, brachte ihn im Maul, warf ihn mir vor die Füße, guckte so, hechelte, brachte mich
zum Lachen, guckte dann immer wie Damian. Der wollte auch immer getätschelt werden, der Streuner, auch wenn der irgendwann gar nix mehr mitbrachte, keine Walfischknochen, nicht mal Steine.
Bin dann also zum Palace Pier, stattdessen, ging so rum, zwischen den Imbissbuden und Fahrgeschäften, guckte den Leuten zu, weiß, kaffeebraun, schwarz, Eltern und Kinder, schwule Pärchen, Teenager, die knutschen. Brighton ist so, im Sommer, überall flattrige junge Dinger, frisch aus dem Kokon, Sprachstudentinnen, sowasalles, überallher, bloß weil sie in ein Loch gefallen sind, glauben die, sie sind in der Wunderwelt. Aber es ist die Stadt, die alte Schlampe, merkst nicht, dass du schon in ihrem Schlund steckst und verschluckt wirst, spurlos, einfach weg.
Lange her, das Lagerhaus, der Hafen, die Möwen und Damian, lange her. Die Holzstiege, weiter, immer weiter ging´s rauf, außer Atem, bis in den Himmel, oben der Dachboden, der Gasofen, fauchte die ganze Nacht, das Ungeheuer. Und Haufen, Türme aus Gerümpel, Damians Kram, er verkaufte manchmal was, wenn wir Geld brauchten. Hörten das Krallenscharren, Poltern, wenn die Hafenratten nachts rumkletterten, riesige Biester waren das, hat uns aber nix ausgemacht, haben uns nur fester umarmt, so war das.
Meine Story „Der Waldrapp“ erscheint demnächst in der neuen Berliner Literaturzeitschrift GYM – http://gym-magazin.de/erste-ausgabe
Das Konzept von Gym: Texte, die zu viel Gewicht draufpacken und unaufgewärmt reißen. Erzählungen, die die Wirklichkeit anheben, um zu sehen, was dahinter liegt, sie verbiegen, erweitern. Lyrik, die will, dass man hinter ihrem Rücken über sie spricht. Figuren, die im Maschinenraum des Luxusliners Literatur schwere Hebel in Bewegung setzen.
Der Waldrapp (Auszug)
„Ich würd´ ja gern fortgehen. Aber ich kann einfach nicht, weißt du.“
„Leute machen sowas jeden Tag.“
„Bleibst du denn noch lang?“ Sie deutet zum Block hinüber.
„Wieso?“
„Die da drüben bleiben nie lang. Ist so.“
„Ich gehe erst, wenn ich fertig bin.“
„Mit was musst du denn fertig werden?“
Da erzähle ich ihr von Elena, obwohl ich das gar nicht beabsichtigt habe. Am Ende berichte ich ihr sogar von meiner Arbeit, den Ergebnissen der Berechnungen und von meinen Schlussfolgerungen. Ich rede eine Menge und sie hört einfach zu. „Noch ein paar Jahre, dann ist alles aus dem Ruder gelaufen. Und niemand unternimmt ernsthaft etwas dagegen. Das macht mich fertig, ehrlich.“
„Kein Wunder“, sagt sie und schenkt mir noch einen Schnaps ein. Ich stürze ihn hinunter.
„Ich hab einen Waldrapp aus deiner Scheune kommen sehen. Neulich Nacht, im Traum.“ Ich beschreibe ihr das fettigschwarze Gefieder mit dem grünen Schmeißfliegenschillern, den faltigen roten Schädel, die langen Schopffedern, den Stocherschnabel.
Maries großer Kopf lehnt am Treppengeländer. Erst denke ich, sie sei eingeschlafen, aber dann sagt sie:
„Du hast den Nachtkrab gesehen. Das war der Nachtkrab.“
„Nein, Waldrapp, nicht Nachtkrab.“
Sie schüttelt den Kopf als versuche sie, einen lästigen Gedanken loszuwerden.
„Du bist nicht brav gewesen.“
„Brav?“
„Er kommt uns holen, wenn wir nicht tun, was man uns sagt.“
„Wer?“
„Du warst wieder nicht brav, hat sie gesagt, jetzt kommt er dich holen, hat sie gesagt und den Riegel vom Kohlenkeller zugeschoben. Im Finstern drin, auf einmal, da hab ich ihn gesehen, wie er sich über mich beugt. Schnipp, schnapp, so hat der gemacht mit seinem Schnabel. Wie mit einer langen Schere.“
Sie verstummt und dreht das Gesicht weg. Ich sage nichts, mir fällt nichts ein.
Nach einer Weile lege ich ihr vorsichtig den Arm um die Schultern.
Es wird schon hell. In einem der Apfelbäume beginnt eine Amsel zu singen.
Zur Lesung dieses Textes bin ich am 8.10.2020 auf die „Lesebühne Text Genuß & Schnaps“ in Hannover eingeladen. Die Lesebühne Text Genuß & Schnaps + Vorträge wurde im Herbst 2018 von Jan Fischer und Gila Hofmann gegründet, für alle, die jenseits von Poetry Slam und Wasserglaslesungen für etablierte Autor*innen eine Bühne für Literatur vermissen.
„Literatur jenseits der Duldungsstarre, Vorträge jenseits muffiger Vorlesungen, Räusche auf unerforschtem Gebiet.“
Zur Lesebühne geht es HIER