Lange ist es her, dass ich mich über eine Auszeichnung für einen meiner Texte freuen durfte. Doch der Fleiß des vergangenen Jahres (der vor allem den langen Lockdownmonaten geschuldet ist) beginnt sich auszuzahlen. Im Januar wurde meine Story: „Das Zeichen“ zum Text des Monats des Literaturhauses Zürich gewählt.
Nun ist mein Text „Elfmal Emma und Eve“ unter den Preisträgern des Wettbewerbs „Wächst das Rettende auch“. Der Preis wurde von der Akademie für gesprochenes Wort – Utta Kutter Stiftung und dem PEN-Zentrum Deutschland zum 250. Geburtstag Friedrich Hölderlins ausgeschrieben. Dazu hieß es in der Ausschreibung: „Akademie und PEN regen damit zur literarischen Auseinandersetzung mit individuellen und sozialen Dimensionen der aktuellen Krise und ihrer geistigen Bewältigung an.“ Die Preisverleihung findet – vorausgesetzt die Pandemielage lässt dies zu – im September in Stuttgart statt. Auch die Anthologie zum Wettbewerb wird dann erscheinen.
In meiner Story „Elfmal Emma und Eve“ entspinnt sich während des Lockdowns eine Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen – von Balkon zu Balkon ihrer kleinen Hochhauswohnungen.
Am Morgen fällt mein Blick als Erstes auf den sonnenbeschienenen Fleck neben dem Bett, wo das gebrauchte Kondom liegt, zusammengerollt wie ein zertretenes Weichtier. Ich stehe auf, schlüpfe in den alten Bademantel und zurre den Gürtel fest, nehme das Ding mit spitzen Fingern hoch und trage es hinaus auf den Balkon, wo ich es in die Restmülltonne fallen lasse.
Sie sollten vorsichtig sein, sagt eine Stimme ganz in der Nähe.
Ich schnappe nach Luft. Es ist meine Nachbarin. Der Kater sitzt diesmal zu ihren Füßen und schickt mir einen abschätzigen Blick.
Ich kann schon auf mich aufpassen. Aber danke, sage ich.
Sie mustert mich aus ihren tiefliegenden, trüben Augen. Fehler sind schnell gemacht. Sage ich immer.
Stimmt schon, sage ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Das Rauschen der Stadt ist ein entfernter Strom, aus dem sich dünn das Wehklagen einer Sirene heraufschraubt.“
