Die Zukunft des Schreibens: Die London Book Fair aus Autorensicht

Teil 1: Nur eins ist sicher: Alles wird sich ändern!

In diesem Jahr habe ich mir als Autorin etwas ganz Besonderes geleistet – einen Besuch bei der London Book Fair. Natürlich sind es normalerweise die Frankfurter Buchmesse und Leipzig, die im Terminplan der deutschsprachigen Schriftsteller stehen. Obwohl: Zumindest was Frankfurt angeht kann ich mich seit Jahren des Eindrucks nicht erwehren, dass die Präsenz von Autoren, die nicht ganz oben auf den Bestsellerlisten stehen, von der Fachwelt ungefähr als so überflüssig betrachtet wird wie das farbenfroh ausstaffierte Publikum in der Comic- und Mangaabteilung. Vorab nur so viel: Das ist in London etwas anders. Meine Eindrücke von der Messe ergänzen jedenfalls einige Überlegungen, die sich aus meinen Erfahrungen „mit dem Betrieb“ der letzten Jahre ergeben haben. Daher möchte ich den Lesern meines Blogs in den nächsten Wochen in lockerer Abfolge einige kleine Artikel präsentieren, die sich aus der Perspektive der Schreibenden mit der Zukunft befassen. P1040194

Sicher war es nicht zufällig Neil Gaiman, welcher die Eröffnungsrede hielt – genialer Science-Fiction und Fantasy-Autor und einer, der von jeher alle Kanäle der Medienwelt als seine Spielwiese genutzt hat: „Leute fragen mich danach, was meine Voraussagen für die Verlagswelt sind und wie die digitale Welt die Dinge verändern wird und ich sage Ihnen, dass meine einzige wirkliche Voraussage die ist, dass sich alles verändern wird. Amazon, Google und all diese Dinge stellen wahrscheinlich gar nicht den Feind dar. Der Feind ist die Weigerung zu verstehen, dass die Welt sich verändert.“  Hier die gesamte Rede – ein schlichter, bildhafter und dennoch visionärer Blick in die Zukunft: 

Diese Aufbruchstimmung, die in britischer und amerikanischer Tradition kaumvon Unkenrufen getrübt, sondern begrüßt und als Herausforderung und Chance gewertet wird, hat die London Book Fair in diesem Jahr besonders geprägt. Das ist sowohl der Tenor der offiziellen Presseorgane wie dem „Bookseller Daily“ und dem „London Show Daily“, als auch der Besucher, der Fachleute und vor allem der Autoren, mit denen ich mich austauschen konnte. „Das Modell der Zukunft ist – das ist das Modell, das ich mit enormem Enthusiasmus nutze, seit ich 2001 mit dem Bloggen begonnen habe“, sagte Gaiman, „ist alles auszuprobieren. Macht Fehler. Überrascht euch selbst. Versucht irgendwas anderes. Versagt. Versagt „besser“. Und kommt voran auf Wegen, die wir uns vor einem Jahr oder einer Woche nicht hätten vorstellen können.“

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In diesem Zusammenhang war es nur folgerichtig, dass neben dem regionalen Schwerpunkt Türkei vor allem das Thema „Self-Publishing“ von sich reden machte. Die britische „Alliance of Independent Authors“ (Vereinigung der Indie-Autoren) feierte auf der Messe ihren ersten Geburtstag, hofiert von den Größen der digitalen Self-Publishing-Industrie wie kindle, Matador und kobo. Diese waren auch die Sponsoren der sogenannten „AuthorLounge“ – zugleich Treffpunkt und Seminarraum für Autoren. Hochkarätige Vorträge von Agenten, Verlagschefs und Branchenvertreter multimedial agierender Unternehmen – wie Pottermore von Joan K.Rowlings oder Penguin, prägten das Programm.

P1040201Erklärtes Ziel war es, die Interessen der Autoren in das Zentrum der Messe zu rücken. Alle Akteure schienen sehr daran interessiert zu sein, sich als zukünftige „Partner auf Augenhöhe“ zu präsentieren, als Dienstleister am Autor. Besonders Agenten und Verlage beteuerten unentwegt ihre Existenzberechtigung gegenüber den Schriftstellern, die sich vom alten System zumindest tendenziell zu emanzipieren scheinen – mit Hilfe der Self-Publishing-Giganten und weiteren Dienstleistern, die beispielsweise Lektorat, Pressearbeit und Internetvermarktung in bedarfsgerecht geschnürten Paketen anbieten.

Ganz ehrlich: Erst war ich von diesem Sinneswandel der Industrie ein klein wenig gebauchpinselt (endlich nimmt man uns wahr!), dann (typisch deutsch) doch auch misstrauisch.  Mal sehen, ob ich den Hintergründen dieser ersten Eindrücke in den nächsten Wochen auf die Spur komme. Bis zum nächsten Mal also.