Reutlinger General-Anzeiger, 13.7.2012
„Meist kaum zehn Seiten lang, erfasst jede von Anke Laufers »21 Stories« ein komplexes menschliches Drama. Sie beherrscht die Kunst des präzisen Settings, sowohl örtlich als auch psychologisch – und das mit einer schnörkellosen Sprache, in der jedes Wort sitzt. Jede Geschichte hat eine eigene Perspektive; oft braucht es eine Weile, bis man als Leser diese erfasst hat, auch bis man weiß, ob ein Mann oder eine Frau erzählt. Aber aus den nach und nach gereichten knappen Informationen entwickelt sich ein erzählerischer Sog, dem man sich nicht entziehen kann. (…) Das liegt freilich auch an den Inhalten, in denen es nicht selten um Leben und Tod geht, um Verlust, Schuld, Versäumnisse, Abstürze. (…) Große Literatur.“ (Monique Cantré)
Die gesamte Rezension findet sich unter: http://www.gea.de/nachrichten/kultur/geschichten+mit+sogwirkung.2668676.htm
Schwäbisches Tagblatt, 13.7.2012 (Diese Rezension erscheint mit freundlicher Genehmigung der Zeitung und der Verfasserin an dieser Stelle in (fast) voller Länge, da eine Online-Version des Artikels nicht zur Verfügung steht.) :
„Das Leben der anderen. Anke Laufer schreibt magisch-realistische Geschichten. Seit Anke Laufer literarische Texte schreibt, purzeln die Preise. (…) Im Mai erschien nun ihr Geschichtenband „Die Irritation“, und man darf gespannt sein, welchen Preis die in Mähringen lebende Autorin diesmal bekommen wird. Wie sehr Schreiben das Fenster öffnet, den Blick in die Welt hinaus erlaubt, das lassen Laufers Texte deutlich erkennen. Auch dem Band mit Short Storys ist anzumerken, dass die 47-Jährige gelernte Ethnologin ist. Sie blickt in verschiedene Welten, schlüpft in unterschiedliche Rollen, wechselt Geschlecht und Alter, jongliert mit den Zeiten, mit Wirklichkeit und Phantasie. Der unheimlich magische Realismus der südamerikanischen Erzähler schimmert da nicht nur aus der Ferne durch. Da ist zum Beispiel die Titelgeschichte „Die Irritation“. Sie gehört zu einer Reihe von Texten, die die Autorin unter dem Begriff „ruhelos“ stellt. Eine ältere Frau beobachtet ein junges Mädchen, das auf der Fähre über den Ärmelkanal mit einem jungen Mann ins Gespräch kommt. Sie finden Gefallen aneinander, unterhalten sich, am Ende geht das Mädchen über Bord und recht unspektakulär unter. Die Erzählung ist kunstvoll verschachtelt. Überhaupt liebt die Autorin Konstruktionen, die ins Unerwartete führen, immer anders abbiegen, als man denkt. Die ältere Frau reflektiert im Polizeiverhör ihre Beobachtungen, während ihrer Aussagen streicht das eigene Leben an ihr vorbei. Man beginnt zu begreifen, dass sie selber das Mädchen ist. „Ich betrachte das Bild und denke, dass im Grunde jede Geschichte mit einer Irritation beginnt, wenn nicht mit einer Lüge“, sinniert die ältere Frau angesichts der eigenen Geschichte. Geschichten ausdenken ist auch nur eine Art, sich in andere Leben hinein zu erfinden. Im „Papiervater“ , mit dieser Erzählung gewann Laufer den schwäbischen Literaturpreis, lebt die Mutter in der Korrespondenz anderer, und die Tochter entwickelt währenddessen in ihren Tagträumen einen Phantasievater. In Laufers Erzählungen ist der Wechsel zwischen innen und außen, zwischen Beobachtung und Reflexion geradezu schwindelerregend. Gefühle sind schillernd, nie eindeutig. Verwickelte Vorgänge werden über nüchterne Instanzen, wie die Polizei, recherchiert. Das macht die Storys nicht weniger unheimlich.“ (Ulla Steuernagel)
