Vom 25.3. – 28.3.2013 – in der Woche vor Ostern – startete das dritte Text- und Illustrationslabor unter der Leitung von Livia-Scholz-Breznay und mir – diesmal im Rahmen des Vorstudiums der DEKART, der Design- und Kommunikationsakademie Reutlingen. Teilnehmer waren diesmal Tim Armbruster, Michael Fetzer, Charis Mania, Franziska Müller, Eleni Pashalidou, Sander Prautzsch, Anja Wagner und Louisa Hartwig.
Der Schwerpunkt des Seminars verlagerte sich entsprechend der Interessen der Teilnehmer. Diese befinden sich (mit einer Ausnahme) mitten in der Mappenvorbereitung für eine Bewerbung um einen künstlerisch-gestalterischen Studiengang. Es wurden Mappenbeiträge erstellt, die Sprache als zusätzliches Element integrieren, sowie Bewerbungstexte, die den Mappen beiliegen (Anschreiben, Lebenslauf, Motivationsschreiben). Der Kurs zielte darauf ab, das Bewusstsein der Bewerber für die eigenen Stärken und die eigene „Bild-Sprache“ zu schärfen.


Bewerbungstexte sind Werbetexte in eigener Sache, und im künstlerischen Bereich dürfen diese durchaus ungewöhnlich, spielerisch und kreativ mit der Selbstdarstellung der Bewerber umgehen. Anregungen für außergewöhnliches Marketing in eigener Sache finden sich zum Beispiel im Rahmen des sogenannten „guerilla marketing“ – HIER finden sich viele Beispiele. Anja, die für ihre Mappe das Schwerpunktthema „Baum“ gewählt hat, experimentierte daraufhin mit einem Lebenslauf, der die Baumstruktur als Motiv aufnimmt.
Doch häufig sind sich Bewerber nicht bewusst, wie sie ihre Fähigkeiten auch sprachlich ins beste Licht rücken können. Besonders deutlich wird dies im Motivationsschreiben. Oft greift man aus Hilflosigkeit zu Worthülsen wie: „Seit meiner frühesten Kindheit male und zeichne ich gerne/interessiere ich mich für Mode etc..) Stattdessen sollte man besser konkret werden und in kleinen Szenen schildern, wie man beim Zeichnen schon als Kind jedes Zeitgefühl verlor oder aus dem Altkleidersack mit Schere, Nadel und Faden die schrägsten Kreationen hervorzaubern konnte. Man kann auch Personen erwähnen, die in der eigenen Umgebung Vorbild oder Inspiration waren. Daneben lassen sich aber auch Künstler oder Einzelwerke nennen, die einen wichtigen Einfluss auf das eigene ästhetische Empfinden ausübten sowie Bücher, Filme oder Musikvideos. Nicht zuletzt sollte man die Brücke schlagen hin zur Hochschule, bei der man sich bewirbt und gut begründen, warum man ausgerechnet dort studieren möchte. Einen ganzen Kurstag lang widmeten wir uns in persönlichen Einzelgesprächen diesen Inhalten. Hier kamen viele außergewöhnliche und spannende Einzelheiten zu Tage, die im Gedächtsnis haften bleiben und ein Motivationsschreiben glaubwürdig machen: Der Leser soll den Verfasser dabei als eine starke und lebendige Persönlichkeit vor Augen haben!
Mappentexte sollten also möglichst konkret und bildhaft sein – gestalterische Mappenbeiträge dagegen können durch die Interpretation interessanter Texte und das Einbinden typografischer Elemente an Bedeutung, Tiefe und Struktur gewinnen. Das Springen zwischen Sprache und Bild bereichert die Arbeit und führt zu überraschenden Ergebnissen, wie die folgenden Beispiele beweisen.

Michael wählte bei einer „Aufwärmübung“ (bei denen wir den Teilnehmern die Aufgabe stellten, abstrakte Begriffe in einer bestimmten Zeit zu illustrieren) die Begriffe „Freiheitsdrang“ und Auskunftsbüro.

Sander Prautzsch, mit fünfzehn unser jüngster Teilnehmer, wählte bei der Aufgabe, einen Prosatext zu illustrieren eine Geschichte der japanischen Schriftstellerin Yoko Ogawa, „Anprobe für ein Herz“ (in: Das Ende des Bengalischen Tigers. Liebeskind Verlag, 2011): Eine Frau kommt zu einem Taschenmacher mit einer außergewöhnlichen Bitte: Er soll eine Tasche herstellen, die ihr Herz schützt und warm hält – dieses befindet sich nämlich nicht im Inneren ihres Körpers, sondern haftet ihm außen an: „Von Geburt an sei ihr Herz nach außen gestülpt.“
„Das Komplizierteste daran sind die nötigen Öffnungen, damit die Venen und Arterien durchpassen. Es kann also keine einfache Tasche sein. Man müsste eine Anprobe machen, um den korrekten Sitz zu prüfen. Zusätzlich werde ich Riemen anbringen, damit man sie um den Hals tragen kann.“

Ihr rotes Haar…
Aber auch kurze Notizen und Zitate können eine ganze Bilderflut auslösen. Charis arbeitete an einer Serie über Frauen mit rotem Haar.
Tim nutzt sein Gespür und Wissen rund um seine zweite Leidenschaft, den Sport, als roten Faden bei der Gestaltung seiner Mappe. Tim will Industriedesign studieren. Dabei kommen auch eigene Fotos zum Zug, die er bearbeitet. Die Ergänzung der Bilder durch Slogans verbindet die Extreme auf ganz ähnliche Weise wie die gewählten Sportarten.
Louisa will ebenfalls Industriedesign studieren und sucht noch nach einem Schwerpunktthema für ihre Bewerbungsmappe. Eine Idee: das Thema „Liegen“. Hier eine Scherenskizze.
Franziska suchte nach einem Text, der ihr Aquarell einer Sonnenbrille in den richtigen Kontext bringt – von der Suche nach den entsprechenden prominenten Brillenträgern und der Assoziation mit den verwendeten Farben kamen wir auf Heino. Mein Vorschlag: „Blau blüht der Enzian“ (…wenn beim Alpenglühn´wir uns wiedersehn´)
Eleni will Modedesign studieren. Ihre Schuhe nehmen den Sommer vorweg und sind nicht nur Kunstwerke, sondern auch jenseits des Laufstegs durchaus tragbar, wie ich finde.
Der Kurs mit den motivierten und talentierten Teilnehmern hat mir und Livia wieder viel Spaß gemacht.
Das vierte Text- und Illustrationslabor wird in den Fastnachtsferien 2014 stattfinden.