„Die Irritation“ ist Kultschatz der Kult-Literaten

Kult-Literaten – der Blog für Kultautoren, Popliteratur und Independent –  hat „Die Irritation“  besprochen:

„(…) Es sind Geschichten, denen es mit dem ersten Satz gelingt, den Leser auf eine fesselnde Reise mitzunehmen. Erzählungen, die zwar in ein paar Minuten gelesen sind, aber sehr lange nachhallen. Geschichten, die zu neuen Geschichten inspirieren. Texte, von denen man nicht weiß, wie sie enden werden und die einen immer wieder überraschen. Ereignisse, die man mit sich nehmen wird. (…)  Laufer kennt keine Grenzen, lässt Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft verschwimmen, verschmilzt die Psyche der Figuren mit ihrer umliegenden Realität zu einer wirklichen Irritation. Erschafft Geschichten, die erstaunen, fremd sein müssten, aber es nicht sind. (…) Anke Laufer nimmt mit ihrer bildhaften und brillanten Sprache den Leser mit in fremde und doch vertraute Welten. Inspirierend und trotz verstörender Schicksale wunderschön. Unbedingt Lesen!“

Die gesamte Rezension finden Sie unter: http://www.kult-literaten.de/irritation

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Der Wiedergänger

Als ich ausstieg, erhob sich ein Taubenschwarm von den Dächern der beiden alten Lagerhäuser und schrieb ein luftiges Y in den honigfarbenen Morgenhimmel. Graffiti bedeckten alle erreichbaren Mauerflächen der Backsteinblöcke. In den Fensterhöhlen steckten die Reste eingeschlagener Scheiben wie schiefe Zähne.

Ich zögerte, zwängte mich aber dann doch durch das spaltbreit offenstehende Eingangstor und ging die Auffahrt hinauf. Den Wohnwagen sah ich erst, als es zum Umkehren zu spät war. Der Alleinunterhalter hatte mich gesehen. Er saß rauchend in der offenen Tür, die Füße auf einem Trittschemel.

„Morgen. Kaffee?“

Ich nickte.

„Brötchen dazu?“

Ich schüttelte den Kopf.

Während er drinnen war, sah ich mich um. Das Gelände neben dem Wohnwagen war von rostigen Bahngleisen durchfächert. Zwischen den Schwellen blühte Johanniskraut. Dahinter zitterte die Luft über der leeren, geteerten Fläche, die sich bis zum Rand der Auen erstreckte.

Tauben trippelten hoch über mir die Dachkanten entlang, ruckten mit den Köpfen und gurrten.

„Die warten.“ Er reichte mir eine dampfende Tasse.

„Worauf?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht, wer das Kommando gibt. Sie fliegen plötzlich los. Wenn du morgens die Tür aufmachst und sie fliegen quer über das Asphaltfeld… Das ist klasse.“

Später nahm er mich in die Lagerhäuser mit und zeigte mir ihre Nester, armselige Haufen von Kot und Unrat auf Simsen, hinter alten Brettern und verschimmelten Kartonagen. Die Tauben flogen ein und aus ohne sich von uns stören zu lassen, haarscharf an den Bruchkanten des Fensterglases vorbei.

Die Küken waren mehr schlecht als recht von gelbem Flaum bedeckt, hatten zu große Schnäbel und schuppige Federstoppeln, die nach und nach durch die Haut brachen. Wenn sie in Erwartung des Futters die Schnäbel aufrissen, konnte man sehen, wie wild entschlossen sie waren, sich nichts entgehen zu lassen.

„Die scheißen alles zu. Außerdem sind sie voller Ungeziefer. Zecken. Federlinge. Milben.“

Ich mochte sie trotzdem.

Aus: Der Wiedergänger. Erzählung. In: Anke Laufer –  Die Irritation. Erscheint demnächst im worthandel : verlag, Dresden