Wechselwirkungen: Das Pendeln zwischen Wort und Bild.

Es ist kein Geheimis. Nichts, was ich für mich als Neuentdeckung beanspruche. Aber  – schon weil der Untertitel meines Blogs nicht zufällig auf den Zusammenhang zwischen Wort, Bild und Storytelling verweist – wird es Zeit, dass ich darüber ein paar Worte verliere und erzähle, wie dieses Pendeln zwischen den Medien bei meiner Arbeit aussieht. Auch im Rahmen meiner Seminare werde ich häufig mit Fragen nach der Entstehung von Ideen und dem kreativen Prozess konfrontiert. Die Frage „Wie macht man das?“ kann ich nicht beantworten – aber möglicherweise hilft das Folgende dem einen oder anderen Leser, durch den Vergleich der ganz eigenen Arbeitsweise auf die Spur zu kommen.

Manche Autoren schreiben nach ihrem eigenen Soundtrack. Für mich stellen fertige Geschichten eine Umsetzung von Bilderfolgen dar. Das heißt, beim Schreiben habe ich zu Beginn eine Art wilde Collage, dann eine Art Storyboard und am Ende einen Film vor Augen. Die Bilder in meinem Kopf habe ich vorher eichhörnchenartig gehortet. Bei Recherchen, vor allem aber unterwegs, hier oder irgendwo auf Reisen. Ich vergrabe sie in Schubladen und Dateien und vergesse sie für eine Weile.K1024_P1060909

Jahrelang habe ich auch reine Text-Notizbücher geführt, doch davon bin ich abgekommen. Meine ersten Notate zu einer Geschichte erscheinen mir rückblickend oft flach, blass und ausgesprochen mager im Vergleich zu einem Kameraschnappschuss oder einer (noch so unzulänglichen) Skizze. Der Ursprung meiner persönlichen Bilderflut ist ein oft bemühtes Klischee: Das Zeichnen und Malen stand in meiner Kindheit und Jugend lange weit über dem Schreiben. Das Fotografieren kam dazu, als mein Vater mir erlaubte, seine Kamera zu benutzen. Heute dagegen sollen Bilder in erster Linie eine Funktion erfüllen, die zunächst einmal nichts mit künstlerischem Anspruch zu tun hat. Sie sollen meine Gedächtsnisstütze sein (mein Erinnerungsvermögen ist nicht besonders), eine Spur, ein Fingerabdruck des Erlebten und Empfundenen. Hinzu kommen Fundstücke. Ein jüngeres Beispiel: Auf einer Wanderung im Dezember 2014 unterhalb der Klippen von Portland, Dorset, fanden meine Tochter Elodie und ich einen zu kleinen Schnipseln zerrissenen Einkaufszettel für ein bevorstehendes Weihnachtsessen. Diese Fetzen, die ich spontan aufsammelte und einsteckte, rufen heute noch zuverlässig eine Empfindung hervor, in welcher der Keim für eine meiner nächsten Storys stecken könnte.

Fundstück: Ein Einkaufszettel. Collage: Elodie Cruz
Fundstück: Ein Einkaufszettel. Collage: Elodie Cruz

Fotos schieße ich häufig aus der Hüfte und mit einer kleinen Kamera. Da ich so entstandene Bilder  – auch von Straßenszenen und Einzelpersonen – nie ohne entsprechende Verfremdung nach außen gebe  (beim Zeichnen geschieht das angesichts meiner begrenzten gestalterischen Fähigkeiten ganz zwangsläufig) halten sich meine Skrupel bei einem solchen Vorgehen in Grenzen.

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Reisetagebücher  stellen in meinem Fall ein Sammelsurium an Materialien dar, ganz im Sinne der sogenannten Scrapbooks. Es ist nützlich, sich dabei  klar zu machen, dass diese Tradition weiter zurückreicht als bis zu jener Bastelwelle, die seit ein paar Jahren aus Nordamerika zu uns herüberschwappt – nämlich bis hin zu den Reisetagebüchern der großen Weltreisenden, Schriftsteller und Künstler. Ich finde, man sollte allen Versuchungen widerstehen, solche Bücher zu rein dekorativen Vorzeigeprojekten mit bunt-beliebigen Bildchen verkommen zu lassen. Die Materialien auf einer Reise zu sammeln und vor Ort (oft unter Zeitdruck) zu verwerten hilft dabei, das Ganze in einem unmittelbaren und improvisierten Stadium zu belassen und Wichtiges von Belanglosem zu unterscheiden.P1060904

Die aus dem Design und Marketing stammenden Moodboards schließlich helfen mir, die Atmosphäre einer Geschichte herauszuarbeiten. Meistens haben Storys für mich schon in einem frühen Entwicklungsstadium eine gewisse „Anmutung“ (visuell, auditiv, olfaktorisch, haptisch), die aber zunächst recht fließend und vage ist. Moodboards helfen, solche Stimmungen aus dem noch unbestimmten Material herauszuschälen und in eine sinnliche und bildhafte Sprache umzusetzen. Auch diese Moodboards folgen nicht in erster Linie ästhetischen Ansprüchen, sondern sind persönliche Arbeitsgrundlagen für das Schreiben und speichern abschließend die lebhafte Erinnerung an den Entstehungsprozess einer Geschichte.

Ausschnitt aus dem Moodboard "Die Auslöschung" zu einer Geschichte, die im 19.Jh. auf den äußeren Hebriden spielt
Ausschnitt aus dem Moodboard „Die Auslöschung“ zu einer Geschichte, die im 19.Jh. auf den äußeren Hebriden spielt