Da sitze ich heute früh und bin blockiert. Nein, nicht weil ich keine Lust zum Schreiben habe oder prokrastiniere. Ich suche nach dem passenden Bild. Eines wie das von Henry Green, der die Augen eines hübschen Dienstmädchens glühend nennt wie „in kaltes Wasser getauchte Pflaumen“ oder das der New Yorker Müllmänner, die die Maden in den vollen Tonnen „Disko-Reis“ nennen.
Manchmal fällt sie dir sofort ein, die richtige Metapher, manchmal lässt sie sich durch nichts hervorlocken. Man bleibt als Schreibender auf einer unzulänglichen Formulierung sitzen. Möglicherweise fällt sie dann einem Kollegen ein, oder dem Lektor, vielleicht taucht sie aber auch dann erst auf, wenn der Text längst veröffentlicht ist.
Eine gute Metapher fällt niemandem in den Schoß, aber was wären unsere Texte ohne treffende Bilder, die alles, was in diesem einen Erzählmoment geschieht, konzentrieren und so deutlich machen, dass es der Leser sie mit Händen greifen kann? Lyriker verwenden häufig sehr viel mehr Zeit darauf, nach solchen Bildern zu suchen, was sicher mit ein Grund dafür ist, dass sie Lyriker sind und ihre Texte so dicht und knapp, aber auch so kurz.
Für einen Prosaautor, das ist eine schlichte Tatsache, ist es aber eine ebenso dringliche Aufgabe, voran zu kommen, denn schließlich hat er möglicherweise noch hunderte von Seiten vor sich. Da kann es schon sein, dass er sich vorerst mit dem „fast richtigen“ Bild zufrieden gibt und sich vornimmt, die Sache im zweiten, oder spätestens dritten Durchgang zu bereinigen. Es sei ihm verziehen, vorerst, denn nebenbei muss er sich auch noch darum kümmern, was seine Figuren da treiben und ob am Ende wirklich etwas erzählt wird, was den Gesetzen der Logik gehorcht (wenigstens auf den ersten Blick, auch hier gäbe es einiges zu sagen!)
Was ist also eine gute Metapher?
Manchmal leuchtet sie aus dem Text heraus, wertet ihn auf. Scheinbar. Zugegeben, sie sieht verdammt gut aus, wirkt intelligent und kompetent, aber sie kann es leider nicht lassen, damit anzugeben. Sie steht auf der Bühne und schreit: „Hey, sehr mal alle her, bin ich nicht ein genialer Einfall?“
Das ist es nicht, wonach ich suche. Eine gute Metapher ist nicht laut, im Gegenteil, die trägt Tarnfarben und robbt sich durch das Unterholz des Textes. Sie ist unauffällig, weil sie so gut zum Rest des Textes passt, sich so nahtlos einfügt, dass sie kaum auffällt. Eine guter Stil ist unprätentiös, er arbeitet mit dem Schauplatz und den Figuren, um die es eigentlich geht und schmiegt sich diesen an. James Wood hat es in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Die Kunst des Erzählens“ auf den Punkt gebracht: Ein guter Stilist bringt es fertig, nicht über den Kopf seiner Figuren hinweg zu schreiben. Er sagt, eine Metapher sei gelungen, wenn die Spannung zwischen dem Autor und seiner Figur dadurch gelöst werde, dass sie im poetischen Sinne gelingt, das heißt, wenn sie zu den Charakteren und deren Lebenswelt passt, also von den Betreffenden selbst hätte gebildet werden können.
Die Metapher ist dabei ja aber nicht immer ausdrücklich an die Figur geknüpft (wie es zum Beispiel im Dialog oder bei einem Ich-Erzähler der Fall ist). Man könnte also behaupten: Die Sprache und Vorstellungswelt des Autors ist eben einfach eine andere als die seiner aktuellen Figuren, warum nicht? Vielleicht. Allerdings: Jeder, der schon einmal ein Buch gelesen hat, in dem beides weit auseinander klafft, weiß, dass das zwar funktionieren kann (vor allem, wenn der Autor damit sehr bewusst umgeht), aber es selten tut. Auch wenn ein Text in der dritten Person erzählt ist, und eine Metapher also ganz ausdrücklich zum „stilbedachten, metaphernbildenden Autor“ gehört, ist es ideal, wenn „die Metapher um die Figur herumlungert“, wie Wood es formuliert, d.h. wenn sie aus deren Welt hervorgegangen zu sein scheint.
Damit kommt der Leser eben dem, was da passiert und der Denkweise und Lebenswelt der Figuren auf ganz natürliche Art und Weise so nah wie nur irgend möglich.
So weit, so gut. Ich weiß also eigentlich, nach was ich suche und auch ungefähr, wie es zu klingen hat. Vielleicht fällt mir ja nach noch einem Kaffee zumindest eine Notlösung ein, das wäre schon was. Spätestens bei der dritten Überarbeitung werde ich über die Stelle stolpern und mit einen blutigen Zeh dabei holen, weil ich schon vergessen hatte, dass dieser harte Brocken da liegt. Aber das kennen wir ja schon.